Titelbild des Buchs Paul Verhaeghe
Und Ich?
Identität in einer duchokönomisierten Gesellschaft

Kapitel Das gute Leben

Paul Verhaeghe beschreibt wie eine Gesellschaft aussehen muss, damit die Menschen gesund bleiben. Die erste These ist, dass sowohl extreme Gleichheit und extreme Ungleichheit zu vermeiden ist.

Der Autor setzt bei Firmen auf intrinsische statt extrinsisische Motivation. Letzteres erweist sich sogar als schädlich. Er beschreibt die 3 Bedingungen für intrinsische Motivation. Erstens die Möglichkeit sich selber zu organisieren. Zweitens einen Arbeitsbereich zu finden, in dem man besonders gut ist (d.h. sich zu fokussieren) und drittens eine Vision als Ziel, das man nur gemeinsam erreichen kann. Paul Verhaeghe tritt für qualitative, statt quantitative Bewertung ein. Er zeigt auf dass nackte Zahlen nie neutral sind, sondern jede Transformation von Vorgaengen in eine Zahl ist eine Werteentscheidung

Desweiteren beklagt Verhaeghe dass wir immer erwarten, dass die Anderen sich ändern sollen. Dabei kann man sich immer selber ändern, nie andere. Und er macht Mut dies auch auszuprobieren. Um Änderngen zu bewirken, reichen sachliche und vernunftbezogene Appelle nicht aus. Man muss an die Werte der Menschen appellieren um sie zu bewegen, sich selbst zu ändern. Desweiteren fordert er uns auf, uns auf das zu konzentrieren was uns wirklich glücklich macht - und das ist nicht die Anhäufung materieller Güter.

Es macht keinen Sinn zwischen den Interessen des Individuums gegen die der Gemeinschaft auszuspielen, denn die Abhängigkeiten sind gegenseitig.

Es ist die Gesellschaft, die bestimmt was normal und was abnormal ist. Es gibt sowohl Gesellschaften die gesund und welche die krank machen. Paul Verhaeghe stellt die These auf, dass die aktuelle Gesellschaftsform eher krank macht.

In diesem ganzen Kapitel, geht es überwiegend darum wie eine optimale Gesellschaft eigentlich aussehen müsste.

Der Autor verwendet als Überschrift absichtlich das Gute Leben und nicht das Wort Erfolg. Das Gute Leben schliesst die Beziehung zur Gemeinschaft mit ein. Erfolg ist meist etwas Individuelles.

Unterkapitel: Die Organisation der Gesellschaft: Gleichheit und Verschiedenheit

Die Hauptursache für das Verschwinden des Gemeinschaftsgefühls und das Aufkommen eines extremen Individualismus ist ist das heutige Wirtschaftsmodell, das Menschen systematisch gegeneinander ausspielt und immer grössere Ungleichheit erzeugt.

Dies ist aber kein Plädoyer für ein gleichmacherisches Modell. Ein Übermass an Geleichheit hat ebenso negative Folgen wie ein Übermaß an Verschiedenheit.

Die ideale Form würde auf ein merokratisches System beruhen, das sich auf qualitative Evaluierungen stützt und nicht nur finanzielle Beziehungen austeilt.

Dasselbe gilt nicht nur im Kleinen sondern auch im Grossen. Paul Verhaeghe kritisiert dass BIP, mit dem wir unsere wirtschaftlichen Erfolge messen,sich an das quantitave Wachstum orientieren. Wir sollten so rasch wie möglich diese Denkweise aufgeben und uns an qualitative Nachhaltigkeit orientiert. Die Wachstumsidee ist ist vermutlich das fatalste Erbe der scala naturae: immer mehr, immer höher, immer noch erhaben über den Rest.

Ich habe vor einem halben Jahr das Buch von Maja Göpel resenziert, mit Ihrer Einladung die Welt neu zu denken. Wir tendieren unsere Probleme mit Technologie zu ändern. Wir wollen die Super Technik oder was Corona betrifft so hoffen wir auf den erlösenden Impfstoff. Frau Göpel zeigte auf, dass es meist wenig bringt auf die Technologie allein zu setzen, nur in der Hoffnung dass man die Strukturen oder unsere Denkweise beibehalten kann.

Ich bin der Überzeugung, dass Corona nicht einfach nur ein Ereignis ist, das alle hundert Jahre zufällig eintritt. Nach dem Motto Im Mittelalter hatten wird die Pest und heute leider Corona. Ich vermute wir sind in einer Zeitenwende. Ich vermute, dass die Klimaerwärmung und das Artensterben die Wahrscheinlichkeit von Pandemien erhöhen. Von daher will Ich gar nicht in die alte Normalität zurück.

Der Autor betont dass Wirtschaft sich der Gesellschaft untergeordnet sein muss und bleiben, und nicht umgekehrt.

In diesem Unterkapitel geht es auch um Autorität. Wir leben in einer Zeit in der es immer schwerer wird, Menschen zu finden, die bereit sind öffentliche Ämter auf sich zu nehmen. Es mag jetzt überraschend wirken, aber der Autor beklagt ein Mangel an Autorität. Er fordert u.a. Lehrer auf ihre natürliche Autorität wahrzunehmen, und die Gesellschaft sollte auch bereit sein diese zu fördern. Allerdings gehört Missbrauch von Autorität bestraft.

Unterkapitel: Arbeitsorganisation

Es geht in diesem Unterkapitel darum, was Arbeit effizient und Menschen in Bezug auf ihren Arbeitsplatz und ihrer Tätigkeit glücklich macht?

Es gibt eindeutige Untersuchungen die aufzeigen dass Burnout, und arbeitsbedingte Depressionen, nicht die Folge von zu harter Arbeit oder zu hoher Arbeitsbelastung sind, sondern mit der Organisation der Arbeit zusammenhängen, oder vor allem mit den dazugehörigen sozialen Beziehungen.

Der Autor verweist auf einen TED Vortrag von Dan Pink zum Thema Motivation am Arbeitsplatz.

Ab einem bestimmten Einkommensniveau wirken extrinsische Belohnungen kaum mehr. Finanzielle Anreize erhöhen die Motivation nur bei Arbeiten, bei denen man nicht denken muss.

Mehr noch. Dort wo Kreativität gefragt ist, haben extrinsische Motivation sogar einen negativen Effekt. Die solcherart bedachten Mitarbeiter liefern schlechtere Ergebnisse ab, als die intrinsisch motivierten Kollegen.

Der Autor beantwortet was intrinsische Motivation ausmacht. Das sind die Faktoren Autonomie, Meisterschaft und Ziel.

  1. Die selbstständige Organisation und Gestaltung der eigenen Arbeit führt zu einer enormen Steigerung der Motivation und des Engagements.
  2. Wer eine Sache besonders gut macht, ist motiviert dieses anzuwenden, denn jeder Mensch strebt nach Anerkennung.
  3. Mit Ziel ist eine Vision gemeint, die nur in der Gemeinschaft möglich sind - aber man alleine scheitern wird.

Der dritte Punkt erläutert den Erfolg von Fridays for Future. Die Jugendliche setzen nicht nur viel Zeit sondern auch eigenes Geld für ihr Ziel ein. Sie streben danach Teil einer Gemeinschaft zu sein. Sie spüren dass sie alleine machtlos sind, aber in der Gemeinschaft doch viel bewegen können.

Der Autor setzt den Erfolg von Wikipedia, in dem viele kostenlos selber Artikel schreiben und die Teilnehmer selber die Qualtitätskriterien bestimmen, mit den Misserfolg von dem kommerziellen Projekt Encarta von Microsoft entgegen.

Leider erwähnt der Autor nicht die Nachteile von Wikipedia. Wir von den Nachdenkseiten wissen wie sehr Wikipedia manipuliert - gerade wenn es um politische und wirtschaftliche relevante Fragen geht.

Unterkapitel: Digitialisierung und die Mär vom objektiven Messen

Wie jede neue Technologie, verstärkt auch die Digitalisierung, menschliche Obsessionen, in diesem Fall ist es das Bedürfnis nach Kontrolle und Vorhersagbarkeit.

Gott ist tot, aber wir alle unterwerfen uns den Zahlen. Wie die zustande gekommen sind und ob diese auch anders interpretiert werden können, fragen wir uns meist nicht.

Die Frage ist in wie weit die Zahlen wirklich die Realität abbilden. Zahlen gaukeln uns eine gewisse Objektivität und Wertefreiheit vor. Aber meist geschieht genau das Gegenteil. Sie schaffen ein bestimmtes Bild von der Wirklichkeit, vor allem, um bestimmte Erwartungen zu erfüllen, die stets auf einer mehr oder weniger verborgenen Idologie beruhen. Später steuert dieses Bild dann unhinterfragt den Entscheidungsprozess: "Die Zahlen sprechen doch für sich"

Am meisten Angst habe Ich wenn nicht Menschen sondern Algorithmen mittels K.I Methoden diese Zahlen bewerten. Ein Algorithmus übernimmt keine Verantwortung für sein Ergebnis. Aber es entlastet den Menschen der dieser Bewertung des Algorithmus übernimmt, vor einer Rechtfertigung. Häufig sind es Algorithmen die letztendlich vorschlagen ob ein Kunde einen Kredit bekommt, oder der Bewerber einen Arbeitsvertrag.

Ein Grund warum SAP und Windows sich durchsetzten, ist die Angst von Managern Fehler zu machen. Und dies obwohl es sicher billigere und bessere Alternativen gibt. Aber es ist noch kein Manager entlassen worden, wenn er sich für den Marktführer entscheidet. Ähnlich sieht es mit den überhohen Beratergehälter u.a. von Ursula von der Leyen. Wer sich für den teuersten Berater entscheident, kann von sich behaupten, die Entscheidung nicht leicht gemacht zu haben. Die hohen Kosten der Beratung werden mit guter Beratung verwechselt.

In der Reha wurde das Spiel die Türme von Hanoi dazu benutzt um meine logisches Denkvermögen zu messen. Jetzt ist es natürlich ein riesiger Unterschied ob man das Spiel prinzipiell kennt, zum ersten mal spielt, oder sogar, wie Ich als Informatiker, es im Studium programmiert hat. Ich kannte eine Lösung für die nur geringes logisches Denken notwendig ist. Jetzt hatte Ich das Glück dass eine Praktikantin mir gegenüber saß. Ich konnte ihr erklären dass dieses Spiel für mich ein Geschenk war. Gemessen wurde in Wirklichkeit nicht meine Fähigkeit zu denken, sondern gemessen wurde meine Erfahrung.

In der Reha konnten in die Patienten, die berufsvorbereitenden Arbeiten am Projekttag weitgehend selber bestimmen. Ich hatte aufgrund dieser Erfahrung die Lösung nachprogrammiert und in einem Word Dokument vorgestellt. Ich durfte diese Lösung nur den Therapeuten vorführen, die anderen Mitpatienten sollte die Lösung nicht verraten werden.

Evaluierungsgespräche, in denen Zahlen die Hauptrolle spielen, sind oft tödlich für Arbeitszufriedenheit, Motivation, Loyalität und Identifizierung mit dem Unternehmen. Ein solcher Ansatz macht jede Form von Kreativität und Autonomie zunichte und löst ein Gefühl von Erniedrigung und verletzter Selbstachtung aus. Die negativen Folgen wiegen umso schwerer, je weniger qualitative und kontextabhängige Faktoren bei der Evaluierung berücksichtigt werden und stattdessen eine Instanz, die mit der Wirklichkeit am Arbeitsplatz gänzlich unvertraut ist, allen ein uniformes Messsystem überstülpt.

Quantitative Evaluierungen lassen die Qualität der Arbeit eher sinken als steigen. Wenn man Quoten einhalten muss, ist Qualität nicht die oberste Priorität.

Paul Verhaeghe spricht sich nicht gegen Evaluierungen aus, aber sie sollten qualitativ und nicht quantitativ sein. Die Arbeitnehmer sollten in Absprache mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten Ziele und Kriterien festlegen, anhand derer Erfolge wie Misserfolge beurteilt werden. Da alle einer Beurteilung bedürfen, muss auch eine qualitative Bottom-up-Evaluierung der Führungskräfte durch ihre Untergebenen erfolgen.

Die Erfahrung lehrt, dass solche qualitativen Beurteilungen das Verantwortungsgefühl sehr rasch wachsen lassen; dasselbe gilt auch für das Vertrauen der Kollegen untereinander.

Von einer jährlichen Beurteilung und eine Verknüpfung mit Prämien halte Ich überhaupt nichts. Mache Ich einen Fehler macht es keinen Sinn darüber Monate später darüber zu debattieren. Es macht auch keinen Sinn sich monatelang später ggf. beim Arbeitskollegen oder Kunden zu entschuldigen. Ausserdem sollte man die Produkte und die Prozesse beurteilen und nicht die Personen. Teams, die nach sogenannten agilen Methoden arbeiten, machen regelmässige Retrospektiven. Sie versuchen den Prozess zu verbessern, anstatt die Mitarbeiter zu beurteilen.

Unterkapitel: Die anderen müssen sich ändern. Die Anderen das sind wir

Viele Menschen erkennen dass wir Veränderungen brauchen. Aber die meisten sehen sich als Opfer, und wünschen sich dass sich die jeweils anderen ändern.

Paul Vwerhaeghe postuliert dass das neoliberale Denken schon bei uns allen sich festgesetzt hat. Heute ist jeder in erster Linie ein Schnäppchenjäger. Ein Beispiel ist wer sich über all die osteuropäischen LKWs ärgert, die unsere Autobahnen unsicherer machen, vergisst dass sie unsere in Niedriglohnländern sichergestellten Konsumgüter zu günstigsten Tarif herankarren.

Nicht die anderen mpssen sich ändern, die unangenehme Wahrheit ist, dass wir uns selbst auch ändern müssen. Statt nur zu konsumieren, müssen wir uns wieder auf unsere Bürgerpflichten besinnen. Nicht nur in der Wahlkabine, sondern auch und vor allem, indem wir unsere Lebensweise ändern.

Ich habe in einem Podcast ein beeindruckender Appell des Neurobiologen Gerhald Hüther entdeckt, nicht zu versuchen Andere zu ändern.

In uns selbst ist sowohl die Banalität des Guten, wie auch die des Bösen in uns drin. Welches bei uns dominiert, hängt von unserer Umgebung ab. Aber im Gegensatz zu den Primaten können Menschen ihre Umgebung grösstenteils selbst erschaffen.

Paul Verhaeghe schlägt vor sich auf die Dinge des Lebens zu konzentrieren, über die man noch selbst wenigsten begrenzte Verantwortung übernehmen kann.

Wenn die Politik dem Allgemeinwohl verpflichtet sein soll - und das ist wichtiger denn je - dann müssen auch wir das Allgemeinwohl wichtiger nehmen als unsere eigenen Belange.

Bürgersinn bedeudet nicht nur dass wir uns denjenigen unterwerfen, denen wir auf demokratische Weise Macht verliehen haben, sondern auch dass wir die Macht selbst auszuüben wagen, wenn es die Situation erfordert.

Paul Verhaeghe bringt ein Beispiel, das in Brüssel passierte. In Brüssel ist ein Busfahrer getötet worden und die Fahrgäste reagierten nicht, ausser sich zu beschweren dass die Polizei zu lax ist und nach mehr Ordnungshüter zu rufen.Schimpfen in Internetforen ist zu wenig, Solidarität und Demokratie erfordern beispielweise auch eine kollektive Raktion seitens der Fahrgäste, wenn ein Busfahrer angegriffen wird - der Busfahrer, das sind wir.

Unterkapitel: Verhaltensänderung durch Wertewandel

Der Autor stellt fest, dass es immer wieder Informationskampagnen gab, umd die Bevölkerung zu entsprechenden Verhalten zu animieren. Versuche über sachliche Argumente Änderungen im Verhalten zu bewirken bleiben fast immer erfolglos.

Die Werbeindustrie dagegen hat es dagegen begriffen: Will man das Verhalten - in dem Fall der Verbraucher ändern, muss man Werte verkaufen und das tunlichst in einer emotionalen Verpackung - Familie, Mutterliebe, True, Sicherheit, Status, Triumph, Leistung usw.

Eine bestimmte Botschaft kommt dann an, wenn sie tief verwurzelte Affekte und Werte berührt. Die Psychologie spricht von deep frames.

Schon Freud hatte erkannt dass man über Reizwörter Zugang zu diesen Komplexen und Affekten erhält. Dies gilt sowohl für Individuen als auch für Menschen, die derselben Kultur anghören, da diese sich dieselben Komplexe oder Frames teilen. Auch auf kollektiver Ebene erfolgt eine Aktivierung durch Schlüssel- oder Reizwörter.

Es ist so dass diese deep Frames in Cluster geordnet sind, aber nicht nur miteinander sondern auch gegeneinander.

Was mit Cluster gemeint ist, dass wer für Wert A ist, auch meist von Wert B ist. Bei uns wird die politische Einstellung häufig in links und rechts eingeteilt. Wer für soziale Gerechtigkeit eintritt, der ist häufig auch Gegner von Atomkraftwerken. Diese Cluster sind kulturell verschieden. Amerikanische Republikaner verbinden das Tragen von Waffen als die Freiheit, sich selbst zu schützen. Europäer oder Demokraten verbinden Waffen als eine Bedrohung, und haben kein Problem damit die Verwendung der Polizei zu überlassen. Republikaner aus Amerika assoziieren eine gesetzliche Krankenkasse mit Kommunismus. Die Europäer wundern sich über diese Haltung.

Man denke an die frühere Kinowerbung für Zigaretten. Die Marlboro Werbung hat das Rauchen immr mit einem Freiheitsgefühl verbunden.Widersprüchlich war dagegen die Camel Werbung. Der Bekanntheitsgrad dieser Marke ist extrem gestiegen, weil die Werbung extrem witzig war.Der Absatz dagegen ist gleichzeitig zurückgegangen, weil sich niemand mit dümmlichen Kamelen identifizieren will.

Mit gegensätzlich Cluster ist gemeint, dass wenn man in ein Begriff aus einem Cluster gestärkt wird, automatisch die Begriffe des gegensätzlichen Clusters geschwächt werden. Wird man durch die Medien dauert der Individualismus und grenzenloser Konsum bestärkt, wird Nachhaltigkeit und Solidartität geschwächt.

Vielleicht hat einer der Leser mehr Wissen als Ich. Mich würde interessieren ob die Menschen mehrere gegensätzliche Cluster besitzten, oder ob es nur die beiden Cluster gibt, die das Individuelle bzw. den Gemeinsinn betonen.Falls einer der Leser mehr Wissen hat, oder eine gute Quelle bitte Ich den Mail Button zu verwenden, und mir das zu posten

Definition Kognitive Dissonanz


Die Pychologie spricht von Kongnitiver Dissonanz. Ist man von einem Cluster überzeugt, wird man nie offen und objektiv Argumententen vom gegensätzlichen Cluster sein.

Wer davon überzeugt ist, dass Solidarität, Gemeinschaftssinn und Spiritualität wichtig sind, wird objektive Informationen über die Vorteile von Individualismus, Wettbewerbsfähigkeit und Materialismus nur schwer schlucken. Umgekehrt gilt dasselbe.

Wenn wir uns ändern wollen, dann nicht aufgrund rationaler Fakten, sondern über effektiv aufgeladene Werte.

In diesem Zusammenhang gibt es auch ein lesenswertes Buch über Politisches Framing von Elisabeth Wehling. Allerdings geht diese nicht auf die psychoanalystische Sichtweise ein.

Unterkapitel: Selbstsorge und gutes Leben

Der Autor stellt fest, dass wenn immer Menschen das Bauchgefühl haben, dass etwas grundsätzlich falsch läuft, dann liegt Veränderung in der Luft. Allerdings delinkt es den Menschen nicht zu organisieren. Dieses Misslingen ist bereits ein Symbol für unser Hauptproblem, nämlich die forgeschrittene Individualisierung.

Es ist auffällig, wie schwierig es ist, Selbstsorge nicht mit Eigennutz gleichzusetzen. Die Neoliberale Ideologie prägt uns ein dass Selbstsorge mit Anhäufig von materiellen Güter gleichgesetzt wird. Fühlen wir uns dabei glücklich, und ist das wirklich Selbstsorge?

Der Vergleich mit anderen macht uns unglücklich. Immer wird jemand anders bessere Leistungen bringen. Es wird immer wieder ein anderer das teurere Gadget haben. Die Auffassung dass die Beschäftigung mit uns selbst, auf Kosten anderer gehen muss, ist die Folge einer verzerrten Sicht auf Sorge wie auf Identität.

Jenseits eines bestimmten materiellen Wohlstandsniveau haben Geld und Bequemlichkeit keinen Einfluss mehr auf das Glücksempfinden. Je mehr materiellen wohlstand wir anhäufen, desto deutlicher spüren wir, dass etwas grundsätzliches fehlt, das sich durch materielle Güter nicht kompeniseren lässt.

Wie gehen wir mit dem Mangel auf existentieller Ebene um, mit der Tatsache, dass es keine materiellen Antworten auf die großen Fragen des Lebens gibt? Wie gehen wir mit Schuld und Verantwortung um?

Der Gedanke dass wir nicht alles kontrollieren können, dass wir von den wesentlichen Dingen wie Leben, Liebe und Tod nur wenig bis gar keine Ahnung haben, ist uns unerträglich.

Dabei verlieren wir aus den Augen, dass eben dieser Mangel die Quelle jeder menschlichen Kreativität ist und die Ausgangsbasis für ein höheres Ziel, nach dem wir gemeinsam mit anderen streben. Ob dieses Ziel nun ein wissenschaftliches, religiöses, ideologisches oder künstlerisches ist, zählt nicht so sehr wie die Tatsache, dass es Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenschweißt, die auf die wichtigen Fragen gemeinsame Antworten formuliert.

Unterkapitel: Individuum und Gesellschaft

Es gibt 2 Sichtweisen zwischen der Spannung von Individualismus und Gemeinsinn.

  1. Die erste ist die Gruppe die nach mehr Staat ruft. Immer mehr Menschen halten usere individuelle Freiheit für viel zu groß und den Einfluß der Gemeinschaft für viel zu gering und möchten dieses Ungleichgewicht unbedingt korrigieren.
  2. Die zweite Gruppe meint es gibt zu viel Staat und zu viel Einmischung von oben,, das muss ein Ende haben, die Menschen sollen endlich ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen.

Paul Verhaeghe meint, dass beide Ansichten falsch sind. Anders als von der ersten Gruppe angenommen , sind wir als Individuen heutzutage ganz und gar nicht frei, und es gibt in der Tat viel Einmischung von oben. Und im Gegensatz zu dem, was die zweite Gruppe meint, haben wir zuwenig Staat, denn die gegenwärtige Obrigkeit hat so gut wie nichts mehr zu sagen.

Das erste Paradox von der neoliberalen Idoeologie ist der freie Markt. Sie führt unvermeidlich zu einem Übermaß an Einmischung. Mangels Autorität werden immer mehr Regeln erlassen.

Das zweite Paradox betrifft die vermeintliche Befreiung des Individuums. Wer daran glaubt verwechselt Individualisierung und Einsamkeit mit Autonomie und freier Wahl. Durch die Pflicht, es schaffen zu müssen, alles in vollen Zügen geniessen zu müssen, werden die postmodernen Verbraucher zu Kopien ihrer jeweiligen Exklusivität, freilich ohne den Vorteil wechselseitiger Verbundenheit. Daher die merkwürdige Kombination von extremen Individualismus und kollektivem Konsumismus, der uns allen die Illusion vermittelt, einmalig zu sein.

Die Diskussion ob mehr Staat oder mehr Individuum vonnöten ist erübrigt sich. Es gibt keinen funktionierenden Staat mehr, gnauso wenig wie ein unabhängiges Individuum.

Wir suchen wieder ein politisches System, das die stets schwierige und notwendige Balance von Übereinstimmung und Verschiedenheit herstellt, von Gruppe und Individuum, von diktierter Gleicheit und freier Wahl. Diese Geschäftsordnung müssen wir selbst aufbauen, indem wir die Initiative ergreifen.